Nein, unter Strom steht dieser Mann nicht! «Strom» heisst auf Romanisch Stroh, die Jugend in Scuol hat den Strohmann hergestellt. Am ersten Samstag im Februar versammelt sich die Schülerschaft auf dem Dorfplatz. Die Jüngsten liefern Stroh nach, die Älteren formen es zu Strängen und die Schüler der Oberstufe wickeln diese straff um den Holzmast, der um die eigene Achse gedreht wird. Innert wenigen Stunden ist die anstrengende Arbeit vollbracht, der «Hom strom» ist unterdessen neun Meter hoch und über einen Meter dick.
Uralter Opferbrauch
Beim Eindunkeln wird die Strohpuppe über die Innbrücke auf die andere Seite des Dorfs gebracht, um dort mit Unterstützung von Erwachsenen aufgestellt zu werden. Bis zum Anzünden am Abend um acht wird er scharf bewacht, um zu verhindern, dass Knaben der Nachbargemeinden ihn vorzeitig anzünden. Wenn das Feuer lodert und der «Hom strom» während fast einer Viertelstunde verbrennt und damit das Stroh opfert, schauen viele Zuschauer zu. Nach dem Singen des «Hom-strom-Lieds» gehen die meisten schweigsam und fast melancholisch nach Hause. Der archaische Opferbrauch scheint auch noch nach über 2000 Jahren Christentum zu wirken.