Das Schloss Tarasp thront auf einem Hügel im Unterengadin und ist von Weitem zu sehen. Drei Generationen lang verwaltete die Familie der Filmemacherin Susanna Fanzun das Schloss. Sie wuchs mit dem Schloss Tarasp auf. 2016 beginnt mit dem neuen Burgherrn, dem Künstler Not Vital, ein neues Kapitel für die alten Räume. Die Regisseurin erzählt mit Filmdokumenten und Animationen die turbulente Geschichte der Burg. Ein bittersüsses Märchen über ein Ende, einen Neuanfang und wie Geschichte entsteht.
Als ich ein Kind war, lebten die Schlossbesitzer weit weg. Unsere Familie war immer hier und wir konnten den Park und das Schloss für unsere Familienfeste nutzen.
«Odol» rettet das Schloss
1900 war das Schloss Tarasp eine Ruine. Der Nationalrat Andrea Rudolf von Planta hat es vor dem vollständigen Zerfall bewahrt, indem er ein paar Dächer reparieren liess. Die eigentliche Rettung vollzog schlussendlich der Kurgast Karl August Lingner, der grosse Industrielle, der das Mundwasser «Odol» erfunden hatte. Dank diesem und der professionellen Werbung wurde er sehr reich.
Lingner besuchte das Schloss Tarasp und verliebte sich. Er liess es von Grund auf renovieren. Zuerst liess er die Fundamente der Mauern sichern, dann kaufte er Säle, Treppenhäuser und liess sie ins Schloss einbauen. Das Schloss erhielt auch Wasser, Strom und Heizung. 1916, im Jahr der Eröffnung, verstarb Lingner. Er war nicht verheiratet. Letztendlich nahm die Familie von Hessen und bei Rhein die Burg Tarasp als Erbschaft an.
Die Ära der Fanzuns
1925 wird Christian Fanzun aus Tarasp als erster Verwalter des Schlosses Tarasp engagiert. Während des Zweiten Weltkriegs können die Schlossherrschaften ihre Ferien nicht in Tarasp verbringen. Die Schlossbesitzer schlagen dem Verwalter vor, aus dem Schloss Ware zu verkaufen, um die notwendigen Geschäfte zu finanzieren.
Sehr geehrter Herr Fanzun. Die Orgel hat keinen Nutzen für das Schloss. Wir sollten sie endlich loswerden.
Christian Fanzun verkauft jedoch nichts. Während all dieser Jahre führte die Familie Fanzun alle Reparaturen und Arbeiten unentgeltlich aus. Als Lohn und Anerkennung für die während des Krieges geleistete Arbeit wird der Familie Fanzun ein Engadinerhaus im Wert von 12’000 Franken überschrieben. 1966 übernimmt der Sohn Johann Fanzun die Verwaltung des Schlosses. Nach seiner Pensionierung 1987 wird sein Sohn Jon Fanzun in dritter Generation Verwalter.
Ein neuer Schlossherr
Seit 2016 ist der Künstler Not Vital Besitzer des Schlosses in Tarasp. Er ist als Reformierter in Sent aufgewachsen. In der katholischen Enklave Tarasp schafft er neue Ordnungen. So werden beispielsweise alle Heiligen im Schloss zusammen in der Kapelle vereint.
Änderungen gibt es auch im Schlosspark. Die vor über 100 Jahren von Lingner erbaute Teehütte ist für Not Vital nicht erhaltenswert. Auch die beiden grossen Wildkastanienbäume müssen dem neuen Projekt des Künstlers, einem Turm zur Beobachtung des Sonnenuntergangs, weichen.